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Wenn Kinder arm dran sind

Das „Forum für sozialmedizinische Praxis“ am 02.02.2023 hatte diesmal das Thema „Kinderarmut und Kindergesundheit“ als Schwerpunkt. Das SMZ hat sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, soziale Ungleichheiten vor allem in den Bezirken Jakomini und Liebenau aufzuzeigen, die Folgen von schlechten Lebensbedingungen zu verringern bzw. Krankheiten zu verhindern sowie Gesundheit zu fördern. Das Forum bot auch diesmal die Plattform, um mit Expert*innen, Menschen aus der Praxis, der Politik sowie mit von Armut Betroffenen einen Diskurs zu führen.

Geladen waren:

  • Christopher Fröch, Mitarbeiter im Büro des Gesundheitsstadtrats Robert Krotzer,
  • Martin Schenk, Sozialexperte, Psychologe und Mitbegründer der Armutskonferenz
  • Diana Holler, Sozialarbeiterin im SMZ Liebenau in Jakomini und Liebenau

Gemeinsam mit Lisa Strozer, die durch den Nachmittag führte, wurde im SMZ Stadtteilzentrum Jakomini gleich anfangs über die wichtigsten Fakten zum Thema gesprochen. 1,5 Millionen Menschen sind in Österreich von Armut betroffen oder armutsgefährdet. Für ein reiches Land wie Österreich scheint das viel und es lässt auf ein Verteilungsproblem schließen.

v.l.n.r.: Martin Schenk, Diana Holler, Christopher Fröch und Lisa Strozer

Aber ab wann gilt man als arm?

Armut hat nicht nur mit dem Einkommen zu tun, führte Lisa Strozer an, sondern auch mit den Lebensbedingungen. Martin Schenk erklärte, dass zu den Lebensbedingungen zum Beispiel die Wohnung bzw. die Wohnverhältnisse gehören. Studierende beispielsweise haben zwar auch wenig Geld zur Verfügung (Armutsgefährdungsschwelle für einen Einpersonenhaushalt: 1.371 €), leben aber oft nicht in beengten Verhältnissen.

Je weniger Geld vorhanden ist, desto stressiger wird das Leben

Diana Holler und Martin Schenk beschrieben am Beispiel der Wohnung, wie geringes Einkommen, beengte Verhältnisse, Scham und soziale Ausgrenzung zusammenspielen und sich auf die Lebensqualität und damit die Gesundheit auswirken: Wer kein oder wenig Einkommen hat, kann sich wenig oder/und schlechten Wohnraum leisten – dadurch leben oft viele Menschen zusammen in kleinen oder gesundheitlich beeinträchtigenden Wohnungen (Stichwort Schimmel). Das Zusammenleben auf beengtem Raum alleine kann schon vermehrt zu Konflikten führen, die Stress verursachen. Gerade in Krisenzeiten, wie während der Covid-Pandemie oder wenn Kinder in die Pubertät kommen, kann das massive Auswirkungen auf die Familien haben. Die Beziehung und das Gefühl bedingungslos geliebt zu werden, ist aber besonders für Kinder in Krisen wichtig.

Hinzu kommt, dass Kinder aus ärmeren Verhältnissen, Freund*innen nicht oder nur selten in die Wohnung einladen dürfen oder wollen. Entweder weil kein Platz für Besuch da wäre, oder/und die Scham zu groß ist.

Diana Holler beschrieb ausführlich die Nachteile der Sozialunterstützung im Gegensatz zur Mindestsicherung, die abgeschafft wurde. Abgesehen davon müssen Bezieher*innen sich quasi „nackt machen“ und sämtliche Dokumente, die Finanzielles betreffen, aber auch gesundheitliche Unterlagen wie Befunde vorlegen. Dies löst Stress und Beschämung aus, ist man doch Bittsteller*in und abhängig von Unterstützung.

Wenn man nur noch beim Essen sparen kann

Wer kaum Geld zur Verfügung hat, hat nur noch drei Kostenstellen, nämlich: Wohnen, Energie und Essen. Nun lässt sich an den ersten beiden Punkten nichts einsparen, also wird beim Essen verzichtet. Zuerst verzichten die Eltern und viel später erst fällt auch für die Kinder zu wenig ab. Martin Schenk warf dafür einen „simplen“ Lösungsansatz in den Raum, nämlich: eine kostenlose, warme Mahlzeit pro Tag in der Schule. Dies sei aber für viele in Österreich undenkbar – haben wir ja noch die Halbtagsregelung in Schulen. Dabei würde sich das gemeinsame Zubereiten und Essen signifikant auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Kinder auswirken. Nebenbei würden sie auch noch etwas über die Zubereitung und den Umgang mit (gesunden) Lebensmitteln lernen können. Und die Eltern wären in dieser Hinsicht entlastet.

Krisen verstärken soziale Ungleichheit

Während Therapieplätze für Kinder während der Covid-Krise nur für wenige schwere Fälle eine Option waren (weil alles voll), schlägt die soziale Ungleichheit außerdem noch vermehrt bei jenen zu, die aus sozioökonomisch schlechter gestellten Familien kommen. Einige Familien sparen dann die dringend gebrauchte Therapie für ihr Kind ein, weil sie es sich einfach nicht leisten können. Die Folgen für Kinder und Jugendliche, die von Armut betroffen sind, reichen von sozialer Ausgrenzung, über Zukunftssorgen, geringere Bildungschancen über erhöhte Stressbelastung in allen Lebensbereichen und münden in Schlafstörungen, Angstzuständen und Störungen, Depressionen, Rückzug, Isolation, risikoreicherem Verhalten und schlussendlich im erhöhten gesundheitlichen Risiko für Unfälle, chronische Krankheiten und einer kürzeren Lebenserwartung.

Was tut Kindern jetzt also gut?

Diana Holler meinte, dass es auf struktureller Ebene für Kinder, Jugendliche und Familien niederschwellige Unterstützung braucht, die möglichst kein Beschämen auslöst. Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass Kinderarmut nicht sichtbar ist und bei sozialarbeiterischen Beratungen immer miterfragt werden sollte, wie es den Kindern gehe. Martin Schenks Antwort hinsichtlich der persönlichen Ebene klang so simpel wie es schwer ist: Kinder brauchen den Rückhalt der Eltern und die Gewissheit geliebt zu werden, egal was passiert ist. Gerade Familien, die mit mehreren Problemen gleichzeitig kämpfen und Existenzängste hegen, kann das schwer sein.

Und was können wir persönlich und gesellschaftlich tun…

…außer über Armut zu sprechen und damit hoffentlich das Tabu, die Scham und die Stigmatisierung zu brechen? Hier Eine kürzlich veröffentlichte Studie, die über 85 Jahre lief, hat gezeigt, dass der wichtigste Faktor für ein glückliches und vor allem gesundes Leben, soziale Teilhabe ist. Das bedeutet kurze Gespräche, tiefe Beziehungen, nette Bekanntschaften, der Austausch mit der Familie oder Nachbar*innen, natürlich auch oder vor allem das Pflegen von Freundschaften und sogar das kurze Grüßen von fast Fremden halten gesund. Nachbarschaftszentren und Orte für regelmäßige Treffen und sozialen Austausch, wie das SMZ Stadtteilzentrum Jakomini, können als wichtige Ergänzung  in der Gesundheitsversorgung angesehen werden.